Der BGH hat mit einem Urteil vom 3. Dezember 2009 neue Maßstäbe für die Annahme einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB gesetzt (Az.: 3 StR 277/09).
Am 6. August 2008 verurteilte das Landgericht Dresden zwei Angeklagte aus dem Umfeld der Organisation “Sturm 34“ wegen gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen zwischen drei und dreieinhalb Jahren. Ein weiterer Angeklagter wurde mit einem Jahr Haft auf Bewährung bestraft.
Die Staatsanwaltschaft erhob auch Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung bezüglich der Organisation Sturm 34 . Der Richter sprach die Angeklagten in diesem Punkt aber frei, da es am Gruppenwillen gefehlt habe. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil in diesem Punkt Revision beim Bundesgerichtshof ein. Dieser urteilte am 3. Dezember 2009, dass der Sturm 34 durch seine Zielsetzungen eine kriminelle Vereinigung gewesen sei und gab damit der Revision statt. Der Prozess wurde an das Landgericht Dresden zurück verwiesen.
Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass das LG Dresden bei seiner Bewertung Kriterien herangezogen habe, die für das Bestehen einer Vereinigung keine bzw. allenfalls eine untergeordnete Bedeutung hätten. Das Vorliegen einer Vereinigung hängt nach der bisher in der Rechtsprechung gebräuchlichen Definition von verschiedenen personellen, organisatorischen, willentlichen sowie zeitlichen Kriterien ab. An dieser Definition hält der BGH mit gewissen Modifikationen beim Willenselement auch weiterhin fest.
Eine Vereinigung ist in struktureller Hinsicht dadurch gekennzeichnet, dass ein Mindestmaß an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder besteht. Die innere Organisation muss so stark sein, dass sich die Durchsetzung der Ziele der Vereinigung nach bestimmten Gruppenregeln vollzieht und der individuelle Gestaltungseinfluss des Einzelnen dahinter zurücktritt. Der Gruppentreff auf dem Bauhof, die Pflege des rechtsextremen Gedankenguts, die Verfolgung des Ziels einer national befreiten Zone, die Organisation von Skinheadkontrollrunden mit anschließenden Übergriffen, die Rückkehr zum Bauhof sowie die Auswertung der Aktionen sprechen nach Ansicht des BGH für das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung. Insbesondere belege die mit einem nicht unerhebliche Aufwand verbundene Art und Weise, in der die konkreten Straftaten begangen und später analysiert worden seien, eine intensive vorherige Abstimmung zwischen den Mitgliedern und der Organisation.
Die Modifikation des Vereinigungswillens präzisiert der BGH dahingehend, dass die formale Art und Weise der Bildung eines gemeinschaftlichen Willens unerheblich sei. Wesentlich sei nämlich, dass die Mitglieder der Organisation nicht nur kurzzeitig ein gemeinsames Ziel verfolgten und dabei koordiniert zusammenarbeiteten. Die Organisationsstruktur müsse hierbei über die Begehung von Straftaten hinaus auch der Verfolgung übergeordneter, gemeinsamer, vom Gruppenwillen getragener und bestimmter Ziele dienen. Der gemeinsame Gruppenwille wird bereits dann angenommen, wenn die Gruppierung ein gemeinsames Ziel verfolgt, das vom Gemeinschaftswillen getragen wird. Denn in diesem Fall ordne sich der Einzelne dadurch dem Gruppenwillen unter, dass er seine individuelle Meinung zugunsten der Erreichung des gemeinsamen Ziels zurückstelle.
Ein derart übergeordnetes Ziel verfolgten die Mitglieder einer Gruppe typischerweise in den Fällen politisch, ideologisch, religiös oder weltanschaulich motivierter Kriminalität. In diese Kategorie lasse sich auch die Idee der Schaffung einer national-befreiten Zone und der Pflege rechtsradikalen Gedankenguts einordnen. Deswegen bestehe nach Ansicht des BGH ein gemeinsamer Gruppenwille.