Markus Braun: Der strafrechtliche Blick auf den Fall des einstigen Unternehmergenies

Wie sieht die Perspektive des Strafrechts auf den Fall des ehemaligen DAX-CEOs aus?

Die Saga des deutschen Vorzeigeunternehmens

Die Geschichte von Wirecard und insbesondere die Rolle von Markus Braun sind ein bemerkenswerter Teil der deutschen Unternehmensgeschichte. Wirecard war ein deutsches Zahlungsdienstleistungsunternehmen, das einst als Vorzeigeunternehmen der deutschen Fintech-Branche galt. Markus Braun, der ehemalige CEO, spielte eine zentrale Rolle in der Entwicklung und Expansion des Unternehmens.

Unter Brauns Führung wuchs Wirecard rasant und entwickelte sich zu einem Global Player im Bereich der Zahlungsabwicklung. Das Unternehmen erlangte weltweite Anerkennung und wurde als innovativer Vorreiter gefeiert. Wirecard agierte erfolgreich auf dem internationalen Markt und erzielte hohe Umsätze und Gewinne. Es wurde sogar in den deutschen Aktienindex (DAX) und damit den Kreis der 40 größten und liquidesten Unternehmen Deutschlands aufgenommen.

Allerdings wurde das Imperium von Wirecard im Jahr 2020 durch einen Skandal erschüttert. Untersuchungen und Enthüllungen von investigativen Journalisten der Financial Times legten nahe, dass das Unternehmen systematisch Bilanzfälschungen vorgenommen hatte, um die finanzielle Lage zu schönen und Investoren zu täuschen. Insgesamt handelte es sich um einen mutmaßlichen Betrug in Milliardenhöhe.

Markus Braun wurde festgenommen und stand seit Beginn im Zentrum der Ermittlungen. Es wurde behauptet, dass er maßgeblich an der Manipulation der Finanzberichte beteiligt war und die Verantwortung für die betrügerischen Machenschaften trug. Die Verhaftung von Braun markierte den dramatischen Zusammenbruch des einst gefeierten Unternehmens.

Der Fall Wirecard hatte weitreichende Konsequenzen, sowohl für das Unternehmen selbst als auch für die deutsche Finanzbranche insgesamt. Es entstand eine Debatte über die Aufsichtsmechanismen und die Rolle der Wirtschaftsprüfer bei der Erkennung und Verhinderung von Finanzbetrug.

Die Geschichte von Wirecard und Markus Braun wird als eine der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Geschichte in Erinnerung bleiben. Sie wirft wichtige Fragen zur Corporate Governance, Regulierung und Transparenz auf und dient als Mahnung für die Konsequenzen von betrügerischem Verhalten in der Wirtschaftswelt. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wurde für ihre Rolle in der Causa Wirecard scharf kritisiert.

Der ehemalige Wirecard COO Jan Marsalek befindet sich seit Beginn der Ermittlungen auf der Flucht.

Warum wird Markus Braun angeklagt?

Der Betrugsfall rund um Markus Braun, der gemeinsam mit zwei weiteren Wirecard Managern angeklagt ist, wird vor dem Landgericht München I verhandelt. Die Staatsanwaltschaft hat eine umfangreiche Anklageschrift mit beeindruckenden 474 Seiten verfasst, in der den Angeklagten verschiedene Straftaten zur Last gelegt werden.

Der Hauptvorwurf, der wie ein Damoklesschwert über den Angeklagten hängt, lautet auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug gemäß § 263 des Strafgesetzbuches. Besonders schwere Fälle dieser Straftat können mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren geahndet werden. Ein Betrug wird dann zu einem besonders schweren Fall, wenn die Voraussetzungen des § 263 III StGB vorliegen, also unter anderem, wenn

  1. „gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
  2. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
  3. eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt.“

Doch das ist nicht alles, was den Angeklagten zur Last gelegt wird. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen ebenfalls Bilanzfälschung (§ 331 Nr. 1 HGB), Marktmanipulation und Untreue (§ 266 StGB) in mehreren Fällen vor. Nach dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft scheint es, als hätte die Managementebene von Wirecard über Jahre hinweg ein ausgetüfteltes System betrieben, um ihre kriminellen Machenschaften zu verschleiern.

Abzuwarten bleibt, ob das Gericht nach der angesetzten, umfangreichen Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Angeklagten, wie durch die Staatsanwaltschaft angeklagt, des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs strafbar gemacht haben. Ob die Angeklagten vorsätzlich gehandelt haben oder eine Eventualvorsatz vorliegt, wird zu beweisen sein. Denn für ein vorsätzliches Handeln braucht es nicht zwingend eine „volle Absicht“. Vielmehr genügt bereits ein „dolus eventualis“ (Eventualvorsatz), was bedeutet, dass der Täter die Verwirklichung eines Tatbestandes ernsthaft für möglich hält und sich mit diesem Risiko abfindet.

Eine fahrlässige Begehung, mithin das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, würde für eine Verurteilung hingegen nicht ausreichen.

Der Vorwurf der Bilanzfälschung ist ebenfalls ein Bestandteil der Anklageschrift. Gemäß § 283b des Strafgesetzbuches kann sie mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden.

Das laufende Gerichtsverfahren wird von großem öffentlichem Interesse begleitet.

So realistisch ist ein Freispruch

Entscheidend für eine Verurteilung wegen Betrugs ist die Überzeugung des Gerichts“ i.S.d. § 261 StPO, dass das Drittpartnergeschäft Wirecards nicht existiert hat. Erst im Juli 2023, nach mehr als der Hälfte der angesetzten Prozesstage, hatte der Verteidiger von Markus Braun hunderte neue Beweisanträge gestellt, um die Existenz des Drittpartnergeschäfts zu beweisen.

Um die ausländischen Geschäfte abzusichern, hatte man nach Brauns Darstellung mehr als 3 Milliarden Euro bei philippinischen Banken deponiert, die allerdings bis heute nicht auffindbar sind. Der Verteidiger Brauns will beweisen, dass sein Mandant nicht in die kriminellen Machenschaften der weiteren Managementebene rund um Jan Marsalek eingeweiht war. Diese Geschäfte waren es, die letztendlich bei Wirecard zu massiven Abflüssen führten und das Interesse der investigativen Journalisten weckten.

Kann ein Drittpartnergeschäft nachgewiesen werden, so kann dies entlastend für Braun wirken. Ein Freispruch würde so, zumindest im Anklagepunkt des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, in greifbare Nähe rücken. Weitere Hilfe bekommt Braun seit kurzem außerdem aus einer unverhofften Richtung…

Welche Rolle spielt Jan Marsalek?

Im Wirecard-Prozess ist eine bemerkenswerte Entwicklung eingetreten. Das seit über 3 Jahren flüchtige Vorstandsmitglied Jan Marsalek hat sich am 18.07.2023 mit einem ausführlichen Schreiben zu Wort gemeldet. Dieses mehrere Seiten lange Dokument wurde von seinem Anwalt Frank Eckstein verfasst und im Namen seines Mandanten veröffentlicht.

In dem Schreiben äußert sich Marsalek nicht nur zu seinem früheren Kollegen und Chef Braun, sondern auch zum zentralen Punkt des Verfahrens: dem angeblichen Drittanbietergeschäft. Marsalek bestätigt, dass ein solches Geschäft tatsächlich existiert haben soll.

Diese Enthüllung könnte bedeutende Auswirkungen auf den Fall haben und potenziell zur Entlastung Brauns führen. Das Drittanbietergeschäft war ein zentraler Aspekt der Anklage gegen Braun und bildete einen Grundpfeiler der Vorwürfe.

Jan Marsalek deutet in seiner Botschaft jedoch auch an, dass dies nicht das letzte Wort ist und er zu einem späteren Zeitpunkt erneut Stellung beziehen könnte. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Informationen und Erklärungen er in der Zukunft liefern wird, die das Gesamtbild des Falls möglicherweise weiter aufklären oder verkomplizieren könnten.

Marsalek bildet eine Schlüsselfigur im gesamten Prozess. Angesichts seiner Aussagen wird die Öffentlichkeit zweifellos gespannt verfolgen, wie sich der Prozess weiterentwickeln wird und welche Auswirkungen seine Stellungnahme auf den Ausgang des Verfahrens haben könnte. Das Schreiben von Jan Marsalek hat zweifellos bereits jetzt eine neue Wendung in den bereits komplexen Fall gebracht und wird weiterhin für großes Interesse und Diskussionen in der Öffentlichkeit sorgen.

Quellen: