Aus Liebe zum Sport: Dopingarzt Mark S. muss für fast 5 Jahre ins Gefängnis

Der 15. Januar 2021 ist ein kalter, trockener Wintertag. Der Gerichtssaal des Landesgerichts München II ist jedoch aufgeheizt von dutzenden Journalisten, die das Urteil im Fall des Sportmediziners Mark S. im Interesse der Öffentlichkeit verfolgen wollen. Die Aufmerksamkeit für den Ausgang des Verfahrens ist immens. Immerhin schaut die gesamte Sportwelt auf die erstmalige Anwendung des 2015 in Kraft getretenen Anti-Doping Gesetzes. Das Urteil im vorliegenden Fall hat hohe sportpolitische Bedeutung, da das Gericht den Fall als Präzedenzfall nutzen möchte, um zukünftige potenzielle Täter abzuschrecken.

Jahrelange illegale Machenschaften

Dem Prozess vorausgegangen waren jahrelange, illegale Tätigkeiten für internationale Spitzensportler. Diese kamen vor allem aus dem Wintersport und dem Radsportbereich. Der angeklagte Mediziner gab an, seit dem Jahr 2012 professionelles Doping an Spitzenathleten durchgeführt zu haben. Die bisherige Karriere von Mark S. bietet jedoch bereits frühere Verdachtsmomente.

Nach dem Ende seines Medizinstudiums mit Promotion im Bereich Leistungsdiagnostik im Jahr 2006, wurde S. Teamarzt des Radsportteams Gerolsteiner, welches später in einen der größten Dopingskandale der Radsportgeschichte verwickelt war. Nachdem das Team im Jahr 2008 aufgelöst wurde, bekam er ähnliche Verantwortung beim Team Milram. Über die Jahre sagten mehrere Radprofis gegen Mark S. und seine Kollegen aus, wobei die Anschuldigungen stets auf die Durchführung von Doping lauteten. Obwohl diverse Staatsanwaltschaften Ermittlungen einleiteten, konnte nie eine Verurteilung erwirkt werden, da die Beweislast nicht ausreichend war. Durch die ausbleibende Verurteilungen konnte sich der promovierte Arzt im Jahr 2014 als Allgemein- und Sportmediziner in Erfurt niederlassen und bis 2019 die Praxis sogar als sportmedizinische Untersuchungsstelle des Landessportbunds Thüringen führen. 

Jahrelang war Mark S. unantastbar und es konnten zu keinem Zeitpunkt ausreichende Beweise für eine Verurteilung vorgebracht werden. Alles änderte sich jedoch mit der ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping“. Darin sprach der im Januar 2019 wegen Dopings verurteilte Skilangläufer Johannes Dürr öffentlich über seine Vergangenheit und die Dopingstrukturen im Spitzensport. Im Februar 2019 während der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft im österreichischen Seefeld, gab es großangelegte Razzien durch die zuständigen Behörden vor Ort und in der Praxis von Mark S. in Erfurt. Dabei wurden mehrere Athleten, sowie Mark S. und einige seiner Helfer, darunter sein Vater, festgenommen. Der folgende Prozess offenbarte Dopingvergehen im großen Stil, wobei sich der deutsche Arzt als Mittelpunkt der Anschuldigungen herauskristallisierte. Im Prozess gab er an, nicht kommerziell, sondern aus Liebe zum Sport gehandelt zu haben.

Wo überschneiden sich Doping und Drogenmissbrauch?

Im Strafrecht bilden sich Begriffe und Definitionen für gewöhnlich über einen langen Zeitraum heraus, der bis zu 50 Jahre dauern kann. Für Gerichte und Gesetzgeber ist dabei zu beachten, dass jeglicher Gesetzestext dem sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz zu folgen hat. Dieser besagt nicht weniger, als dass jeder Bürger klar in der Lage sein muss zu verstehen, wie er sich gesetzeskonform verhalten kann und was von ihm erwartet wird. Vereinfacht gesagt: Die Gesetze sollen klar und nach Möglichkeit leicht verständlich formuliert sein. Diesem Grundsatz folgend hat sich für Doping im Arztstrafrecht die Definition „Gebrauch eines Hilfsmittels (Substanz oder Methode), welches potenziell gesundheitsgefährdend ist und die sportliche Leistung eines Athleten steigert“ etabliert.

Verbotene Hilfsmittel werden zusätzlich im sogenannten Medical Code der World Anti-Doping Agency (WADA) verankert. Ähnlich ist die Vorgehensweise beim Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Auch hier gibt es eine anhängige Liste der Substanzen, die als Betäubungsmittel gelistet sind. Einige Substanzen können auf beiden Listen stehen. Das betrifft unter anderem bestimmte Aufputschmittel, wie Amphetamine oder Kokain.

Das Strafmaß – wurde an Mark S. ein Exempel statuiert?

Die Höhe der Strafe bei Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz ist auf eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe festgelegt. In besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe auf bis zu 10 Jahre ausgeweitet werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn jemand körperliche Schäden erleidet, Lebensgefahr bestand oder minderjährigen Personen Dopingmittel verabreicht wurden. Zusätzlich kann bei gewerbsmäßigen Handlungen ein besonders schwerer Fall vorliegen.

Milder sind die Strafen bei Selbstdoping. Hier ist maximal eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren, oder eine Geldstrafe zu erwarten. Wird man als Mittäter beschuldigt, sieht es das Gericht als gegeben an, dass jeder der Täter einen gleichwertigen Beitrag zu Tat geleistet hat. Dementsprechend muss jeder der Mittäter, mit dem im Anti-Doping-Gesetz beschriebenen Strafmaß rechnen.

Im Fall von Mark S. kam eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung hinzu, da er einer österreichischen Mountainbikerin eine Substanz injizierte, die nicht für eine Verwendung am Menschen zugelassen war. Die zuständige Richterin sprach in diesem Zusammenhang von einem ‚Menschenexperiment‘. Das Urteil wegen Blutdopings und gefährlicher Körperverletzung lautet auf 4 Jahre und 10 Monate Haft und einem dreijährigen Berufsverbot.

Der Prozess rund um Mark S. und seine vier Mittäter, die allesamt ebenfalls im Rahmen des Anti-Doping-Gesetzes zu Haft- und Geldstrafen verurteilt wurden, hatte große sportpolitische Bedeutung. Eine konsequente Durchsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen war dem Gericht trotz eines umfangreichen Geständnisses wichtig, um einen Abschreckungseffekt für zukünftige Täter zu erzielen. Die Staatsanwaltschaft wertete die Verurteilung als einen Sieg für eine erfolgreiche Anti-Doping-Arbeit und einen saubereren Sport.

Darf ein Arzt weiter praktizieren, obwohl er wegen eines Dopingvergehens vorbestraft ist?

Die Grundlage zur Ausübung des Arztberufes ist eine Approbation, die von den zuständigen Landesbehörden nach erfolgreicher Ausbildung vergeben wird. Wer keine Approbation vorweisen kann, darf sich nicht als Arzt bezeichnen. Das gleiche System gilt übrigens auch für Psychiater und Apotheker.

Das Urteil im Fall von Mark. S sorgt nicht automatisch für eine Entziehung der Approbation. Die zuständige Behörde kann jedoch aufgrund des ausgesprochenen Urteils nach §3 Abs.1 Nr.2 BÄO eine Prüfung einleiten, ob Zuverlässigkeit und Würdigkeit zur Ausübung des Arztberufes noch gegeben sind. Wird einem Arzt jahrelange illegale Verabreichung von leistungssteigernden Substanzen und Blutdoping nachgewiesen, so sind Zuverlässigkeit und Würdigkeit zwangsweise infrage gestellt. Hinzu kommt die Verabreichung einer Substanz, die nicht für die Verwendung bei Menschen zugelassen ist.

In diesem Fall hat das Gericht zusätzlich ein dreijähriges Berufsverbot gegen Mark S. verhängt, welches jedoch per se ebenfalls keine Auswirkungen auf die zuvor erteilte Approbation hat.