Am 15. Mai 2006 ereignet sich an einem Parkhaus in der Münchener Baaderstraße ein brutaler Mord. Die 59 Jahre alte Besitzerin des Parkhauses Charlotte Böhringer wird in ihrer Wohnung über dem Parkhaus mit mindestens 24 Schlägen auf den Kopf getötet. Das Tatwerkzeug ist bis heute nur als ein schwerer Gegenstand definiert, da man es nie ausfindig machen konnte. Gerichtsmediziner gehen von einem Hammer aus.
Zusätzlich zum fehlenden Mordwerkzeug gibt es weitere Lücken und Ungereimtheiten in der Beweisführung. Es gibt allen voran kein Geständnis des verurteilten Mörders. Es gibt weder Zeugen noch eindeutige Beweise für die Schuld des Täters, der nun seit mittlerweile 16 Jahren hinter Gittern sitzt. Das Münchener Landgericht verurteilte ihn dennoch im Jahr 2008 in einem Indizienprozess wegen Mord und unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Letztlich reichten dem Gericht 7 Indizien aus, um das Urteil auszusprechen.
Das Urteil ist seit jeher umstritten und die Anwälte des Mannes haben mehrfach eine Wiederaufnahme und Revision angestoßen – jedes Mal erfolglos. Inzwischen gibt es große Unterstützerkreise für den Inhaftierten, die sich für eine Wiederaufnahme des Verfahrens einsetzen. Unter Ihnen prominente Politiker, wie Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude.
Update vom 24.04.2023:
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Der Lieblingsneffe als Mörder
Das Urteil des Gerichtes stützte sich vor allem auf das Motiv des Täters: die drohende Enterbung. Der verurteilte Mörder war der Lieblingsneffe von Charlotte Böhringer, Benedikt Toth.
Im Testament der vermögenden Witwe Charlotte Böhringer waren die Brüder Benedikt und Mate Toth zu jeweils 50 % als Erben bedacht. Benedikt Toth sollte unter anderem die Leitung des Parkhauses übernehmen, nachdem er sein Jurastudium abgeschlossen hatte. Das Problem: Benedikt Toth hatte sein Studium seit Längerem abgebrochen, ohne seiner Tante Rede und Antwort zu stehen. Der Tag der Wahrheit, der eigentliche Termin für das zweite Staatsexamen, rückte näher. Charlotte Böhringer hatte den Abschluss des Studiums stets als Voraussetzung für den Antritt des Erbes betont. Auf dieser Grundlage baute das Gericht seine Argumentation für einen Mord aus Habgier auf.
Kontroversen im Fall Böhringer
Fraglich ist jedoch, ob Charlotte Böhringer ihren Lieblingsneffen tatsächlich aus dem Testament gestrichen hätte, hätte sie vom Abbruch des Studiums gewusst. Es gibt sogar Anhaltspunkte dafür, dass sie bereits davon erfahren hatte, ohne das Testament zu ändern. Damit wäre das Motiv des Täters nichtig gewesen. Dies ist jedoch nicht die einzige Kontroverse in diesem Mordfall. So war der Mörder laut einer Rekonstruktion des Tatortes Rechtshänder, Benedikt Toth jedoch Linkshänder. Ein Gutachter bestätigte zwar, dass auch ein Linkshänder tödliche Gewalt mit der rechten Hand ausüben könne, fraglich ist jedoch, ob ein Täter in einer derartigen Stresssituation über den gesamten Tathergang hinweg absichtlich die schwächere Hand nutzen würde. Es wurde DNA-Material von Benedikt Toth auf der Kleidung seiner Tante gefunden. Durch die Verteidigung wurde jedoch bewiesen, dass seine DNA durch den regelmäßigen Umgang auf mehreren Kleidungsstücken und Gegenständen in der Wohnung von Charlotte Böhringer zu finden war. Im Besitz des Neffen fand man wiederum Geldscheine, an denen DNA seiner Tante und Blutanhaftungen unklarer Herkunft zu finden waren. Außerdem fanden sich in der Wohnung von Benedikt die gleichen Zeitungen vom Tag der Tat, die sich seine Tante täglich liefern ließ. Darunter auch Ausgaben, die nur im Stadtteil von Charlotte Böhringer ausgeliefert wurden. Wieso der Täter Zeitungen vom Tatort mitnehmen sollte, ist jedoch ebenfalls unklar.
Eine weitere Kontroverse, der das Gericht ebenfalls nicht nachging, war die Sicherung von DNA-Spuren in Böhringers Wohnung, die auch im Fall der in den 1980er-Jahren entführten Ursula Herrmann gefunden wurden. Das Gericht ließ das potenziell entlastende Material mit der Erklärung einer Verunreinigung im Labor nicht zu.
Revision und Wiederaufnahme
Ist ein Strafverfahren abgeschlossen, gibt es die Möglichkeit eine Wiederaufnahme zu beantragen. Dies ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die in §359 StPO geregelt sind. Zusammengefasst gibt es folgende mögliche Gründe für ein Wiederaufnahmeverfahren:
- Eine Urkunde, die in der Hauptverhandlung vorgebracht wurde, war unecht oder verfälscht
- Ein Zeuge oder Sachverständiger hat vorsätzlich oder fahrlässig falsch ausgesagt
- Ein Richter oder Schöffe im Verfahren hat sich der Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht
- Ein zivilgerichtliches Urteil, auf das das Strafurteil gegründet ist, wird durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben
- Das Auftauchen neuer Beweise oder Zeugen zum Vorteil des Verurteilten
- Wenn der Europäische Gerichtshof eine Verletzung der Europäischen Konvention für Menschenrechte festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht
Bislang wurden im Urteil zum Fall Charlotte Böhringer ein Antrag zur Revision, sowie bereits 2 Anträge zur Wiederaufnahme des Verfahrens eingereicht. Bisher wurden diese jedoch stets abgelehnt. Die Familie Toth hat eine Belohnung von 250.000 € ausgelobt, falls jemand Beweise vorbringen kann, die zur Verurteilung einer anderen Person führen.
Welche Anhaltspunkte gibt es für die Unschuld von Benedikt Toth?
Sollte Charlotte Böhringer tatsächlich vom Studienabbruch ihres Neffen gewusst haben, könnte der Beweis dieser Tatsache den kompletten Fall ändern. Wäre Benedikt Toth nämlich trotzdem weiterhin als Erbe im Testament geführt gewesen, so wäre das Motiv und damit die Grundlage für die Argumentation des Gerichtes, infrage zu stellen.
Das Gericht hätte den Erbvertrag von Charlotte Böhringer prüfen müssen. Wäre Benedikt Toth weiterhin als Erbe eingesetzt gewesen, hätte es keinen Zweifel am Erbe trotz Studienabbruch gegeben. Der Vorgang eines ‚Rücktritts bei Vorbehalt‘ vom Erbvertrag erfolgt durch eine notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem Erben. Dies ist nicht so einfach durchzusetzen und hätte Benedikt Toth eine gewisse Vorlaufzeit ermöglicht, um bei Bereitschaft zum Mord aus Habgier, seine Tante auch noch nach Bekanntwerden des Studienabbruchs und vor Änderung des Testaments zu ermorden. Es ist anzunehmen, dass Toth das Verfahren bekannt war.
Zusätzlich zum Zweifel am Motiv des Neffen kommen die vielen Ungereimtheiten, wie beispielsweise das Fehlen des Mordwerkzeugs, die DNA aus dem Fall Herrmann, die Tatausführung mit der rechten Hand. Eine Übersicht dazu ist auf www.zweifelhaft.org zu finden.
Zurzeit gibt es neue Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens, da eine wichtige Zeugin mutmaßlich vor Gericht die Unwahrheit gesagt hat. Sie hatte Böhringer wohl zuletzt lebend gesehen. Der Hinweis kam aus Unterstützerkreisen.
Bekommt ein zu Unrecht Verurteilter Schadenersatz?
Wird man zu Unrecht in einem Verbrechen verurteilt, und vor allem im Fall einer zu Unrecht verbüßten Strafhaft, hat man prinzipiell Anspruch auf eine Entschädigung nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz. Die Entschädigung ist zunächst auf pauschal 75 € pro Tag festgesetzt. Kann der zu Unrecht verurteilte Betroffene darlegen, dass der Vermögensschaden durch die Haft höher ist, kann die Entschädigung höher ausfallen. Der Grundsatz ist, dass der Betroffene keinen finanziellen Schaden durch die zu Unrecht verhängte Haft erleiden darf.
Um eine genaue Bestimmung des Schadens zu ermitteln, empfiehlt es sich stets einen Anwalt mit der Bestimmung und Durchsetzung des Anspruchs zu beauftragen. Nur so können Sie sicher sein, dass Ihnen ihr Anspruch vollständig zuteilwird.
Die Zeit im Gefängnis für Benedikt Toth könnte auch durch eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung erfolgen. Sollte ein Wiederaufnahmeverfahren scheitern und seine Unschuld nicht bewiesen werden können, steht ihm auch kein Schadenersatz zu.